Netzwerkanalyse hilft beim Verständnis der Pflanzenentwicklung

Wissenschaftler vom Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung entwickeln neues Verfahren, das die Einordnung unbekannter Proteinfamilien vereinfacht.

23. März 2005

Wie sind Homöodomänen-Proteine, die in allen mehrzelligen Lebewesen, von niederen Pflanzen über die Fruchtfliege bis zum Menschen, für grundlegende Entwicklungsprozesse essenziell sind, eingebunden in das komplexe Netzwerk der Pflanzenzelle? Das untersuchte jetzt erstmals eine Forschergruppe um Joachim Uhrig vom Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung. Dazu entwickelte das Team ein neues generelles Verfahren, um Protein-Kontakte von Pflanzenproteinen zu analysieren. Die Netzwerkanalyse der Proteininteraktionen kann nun beim weiteren Verständnis der Pflanzenentwicklung helfen. (PNAS, 21. März, 2005)

Unveränderter Typ der Ackerschmalwand, Arabidopsis thaliana (links). Sobald die natürliche Funktion der Ovate Protein-Familie gestört wird, unterscheidet sich das Pflanzenwachstum deutlich (rechts).

"Netzwerke sind immer und überall. Das Internet, die Ausbreitung von Seuchen oder auch die funktionelle Verknüpfung von Genen und Proteinen in lebenden Zellen basieren auf den gleichen Prinzipien", erklärt Joachim Uhrig.

Uhrig und sein Team interessierten sich nun für die in komplexen Netzwerken interagierenden Moleküle von lebenden Pflanzenzellen, auf der ihre Organisation entscheidend basiert. "Proteine in Zellen funktionieren meist nicht für sich alleine, sondern sind in einem komplexen Geflecht von Protein-Interaktionen miteinander verbunden. Viele dieser komplexen Systeme können wir mit Methoden der Netzwerktheorie beschreiben", erklärt Uhrig.

Die Kölner Pflanzenforscher haben die Netzwerktheorie nun auf experimentell identifizierte Proteininteraktionen der Proteinfamilie der pflanzlichen Homöodomänen-Proteine angewendet.

Netzwerk der Homöodomänen-Proteinfamilie

Fehlfunktionen dieser Proteine in der Zelle führen häufig zu dramatischen Missbildungen in der Organentwicklung, nicht nur bei Pflanzen, sondern bei allen mehrzelligen Organismen bis hin zum Menschen.
Die Wissenschaftler gingen nun der Frage nach, wie diese Proteine in das zelluläre Netzwerk eingebunden sind. Dabei stießen sie auf die Interaktion der Homöodomänen-Proteinfamilie mit der Ovate-Proteinfamilie, einer pflanzlichen Proteinfamilie, die bis dahin noch nicht charakterisiert war.

Aus ihren theoretischen Netzwerkdaten zogen die Wissenschaftler den Schluss, dass die Ovate-Proteinfamilie eine zentrale Rolle für die Regulation pflanzlicher Entwicklung spielen sollte. Im Experiment bestätigten die Forscher anschließend ihre Annahme: Nach Ausschalten verschiedener Gene der Ovate-Familie waren die Pflanzen in frühen Entwicklungsstadien beeinträchtigt und nicht lebensfähig. Weitere Experimente unterstrichen eine fundamentale Bedeutung der Ovate-Proteine für die Entwicklung verschiedenster Pflanzenorgane (Blatt, Spross, Blüte) und legen einen entwicklungsgeschichtlich sehr alten funktionellen Zusammenhang zwischen Homöodomänen-Proteinen und Ovate-Proteinen nahe.

Die Entdeckung der Kölner Wissenschaftler stellt in der Pflanzenbiologie ein erstes erfolgreiches Beispiel dar für die neue Denkweise, über die Netzwerktheorie zu experimentell überprüfbaren Hypothesen und damit auch zum Verständnis neuer funktioneller Zusammenhänge zu gelangen. Nachdem die ersten Pflanzengenome der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) und der wichtigen Nutzpflanze Reis entschlüsselt sind, kann dieses Konzept den Pflanzenbiologen bei Ihrer Mammut-Aufgabe helfen, die überwältigenden Datenmengen aus Genomanalysen besser zu verstehen und nutzbar zu machen.

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