Jeff Schell – Pionier der Grünen Gentechnik

Jozef Stefaan „Jeff“ Schell (Juli 1935, Antwerpen - April 2003, Brüssel) war ein renommierter und angesehener Pflanzenwissenschaftler, der für seine bahnbrechende Forschung in der molekularen Pflanzenbiologie und Biotechnologie bekannt war. Schell war von 1978 bis 2000 Direktor am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung.
 

Über Jeff Schell

In den 1970er Jahren revolutionierte Schell, ein Pionier der Grünen Gentechnik, das Fachgebiet mit seiner Entdeckung und Anwendung von Agrobacterium tumefaciens als ein Werkzeug zur Einführung fremder DNA in Pflanzen, einer Technik, die als Pflanzentransformation bekannt ist.

Jeff Schell reiste um die ganze Welt, um seine Entdeckungen und Einsichten mit anderen Forschenden zu teilen. Vorträge, Beratungen und Ehrungen rund um den Globus prägen seine Vita ebenso wie die Beratung von Unternehmen und Regierungen und die Berufung in mehrere Nationale Akademien der Wissenschaften.

Neben Ehrendoktorwürden und Ehrenprofessuren an verschiedenen Universitäten, darunter Köln, war die Berufung an das Collège de France (Paris) eine besondere Ehre. Dutzende von Auszeichnungen, darunter der Wolf-Preis für Landwirtschaft (1990) und der Japan-Preis für Biotechnologie (1998), gemeinsam mit Marc van Montagu, bereichern seine Vita.

Die Biologie der Agrobakterien und ihre Wechselwirkung mit den Pflanzen

Bestimmte Pflanzenkrankheiten, wie die Wurzelhals- oder Krongallenkrankheit, sind das Ergebnis eines Infektionsprozesses durch Bakterien. Diese Art von Pflanzenkrebs (Tumorinduktion) befällt viele Gemüse-, Blumen- und Obstbäume und verursacht eine unkontrollierte Vermehrung von Gewebe und Wucherungen an der Krone, der Verbindung zwischen Wurzel und Stamm. Verursacht wird sie durch das Agrobacterium tumefaciens, das normalerweise im Boden lebt. Wenn Pflanzen in Bodennähe verletzt werden, dringen die Agrobakterien in sie ein und lösen eine rasche Tumorbildung aus.

Schell und sein Team fanden bei der genauen Untersuchung der Kronengallen heraus, dass die von Agrobakterien verursachten Tumoren ungewöhnliche Aminosäurederivate, sogenannte Opine, produzieren. Diese dienen den infizierenden Agrobakterien als Stickstoff- und Kohlenstoffquelle zur Deckung ihres Energiebedarfs. Dies deutet darauf hin, dass Agrobakterien in der Lage sind, Pflanzenzellen umzuprogrammieren. Dazu schleusen sie fremde DNA, die für Enzyme zur Steuerung der Opin-Systhese kodieren, sowie Pflanzenhormone (Auxin und Cytokinin), die das Tumorwachstum auslösen, in die Pflanze ein. Der artübergreifende Gentransfer vom Bakterium zum Pflanzengenom stellt einen evolutionären Vorteil für Agrobacterium dar, da er die Produktion einzigartiger Verbindungen sicherstellt, die von Agrobacterium gezielt abgebaut und sowohl als Energiequelle als auch als Kommunikationssignal genutzt werden können.

Die Idee, dass Agrobacterium tumefaciens die Bildung von Pflanzentumoren durch den Einbau fremder DNA in das Genom der Wirtspflanze auslöst, stieß zunächst auf Skepsis, wurde aber bald auf brillante Weise bestätigt. Wissenschaftler:innen um Jeff Schell und seinen Kollegen Marc van Montagu an der Universität Gent (Belgien) wiesen nach, dass pflanzenpathogene Agrobakterien ein ringförmiges DNA-Molekül, das tumorinduzierende Ti-Plasmid, enthalten, das in Agrobacterium-Stämmen, die keine Tumore auslösen können, nicht vorkommt. Wenn Agrobacterium Pflanzen infiziert, überträgt es einen Abschnitt seines Ti-Plasmids, die so genannte T-DNA (transferierte DNA), in das Kerngenom der Wirtszelle, deren Wachstum durch horizontalen Gentransfer zwischen den Arten umprogrammiert wird, so dass die Pflanzenzellen unkontrolliert wachsen und Tumore bilden. Dieses Phänomen des Gentransfers zwischen Agrobakterien und Pflanzen ist eine Erfindung der Natur selbst. Die natürliche Integration von T-DNA-Abschnitten des Agrobacterium rhizogenes (ein naher Verwandter von A. tumefaciens, der die Bildung von Wurzelhaaren anstelle von Tumoren stimuliert) wurde in den Genomen zahlreicher Pflanzenarten nachgewiesen, darunter Süßkartoffel, Tabak und Lein.

Die Reprogrammierung des Ti-Plasmids

Während Schell am MPIPZ arbeitete, entwickelte seine Gruppe zusammen mit seinem früheren Forschungsteam in Gent unter der Leitung von Marc van Montagu eine elegante Technologie, um Agrobacterium als „Genfähre“ zu nutzen und fremde Gene nach Belieben in Pflanzen zu transformieren. Um diesen natürlichen Prozess für die Herstellung transgener Pflanzen zu nutzen, war es wichtig, die Tumorbildung zu vermeiden. Tatsächlich konnten die Gene, die die Tumorbildung auslösen, entfernt und durch andere ersetzt werden, ohne den Mechanismus des T-DNA Übertragung zu stören. Die so „entschärfte“ T-DNA wird noch in das Pflanzengenom eingebaut. Die transformierten Zellen können zu fruchtbaren transgenen Pflanzen regeneriert werden, und wenn ein „gewünschtes Gen“ auf der „entschärften“ T-DNA vorhanden war, wird es an die Nachkommen weitergegeben.

Das war ein phänomenaler technologischer Durchbruch. Bis dahin konnten Gene nur durch Kreuzung zwischen Individuen derselben Art kombiniert werden, und das gewünschte Merkmal konnte nur durch einen sehr zeitaufwändigen Prozess selektiert werden. So wurde das Ti-Plasmid des Agrobakteriums durch gezielte, wissensbasierte Veränderungen zu einem äußerst vielseitigen, universellen und unverzichtbaren Werkzeug der Pflanzenforschung, das weltweit eingesetzt wird.

Die entschärfte T-DNA optimierter Ti-Plasmide kann nun jedes gewünschte Gen in das Genom verschiedener Pflanzenarten übertragen, wodurch die Funktion dieser Gene besser untersucht werden kann. Darüber hinaus ermöglicht die T-DNA vermittelte Genübertragung die Expression von Fremdproteinen in Pflanzen, wodurch sie besser gegen Herbizide, Pilzbefall oder Viruserkrankungen geschützt werden können.

Der weltweite Einsatz der T-DNA-vermittelten Genübertragung von Agrobacterium hat die Pflanzenforschung auf eine neue Ebene gehoben und viele neue, vielversprechende Perspektiven für eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion und die Entwicklung neuer Anwendungen der Pflanzenbiotechnologie eröffnet.

Anwendung in der Landwirtschaft

Agrobacterium hat in der Landwirtschaft schnell eine revolutionäre Rolle als Werkzeug zur Herstellung transgener Pflanzen eingenommen. Durch die gezielte Einführung von Fremdgenen wurde die T-DNA-vermittelte Pflanzentransformation genutzt, um Pflanzen mit verbesserten Eigenschaften zu erzeugen, die in der modernen Landwirtschaft von großem Nutzen sind. Herausragende Beispiele sind herbizidtolerante Soja-, Mais- oder Baumwollsorten. Dabei werden Gene in Pflanzen eingebracht, die sie gegen bestimmte Herbizide resistent machen, so dass Unkräuter effizienter bekämpft werden können, ohne dass die Nutzpflanze Schaden nimmt.

Auch bei der Entwicklung insektenresistenter Pflanzen hat die Agrobacterium-gestützte Pflanzentransformation eine entscheidende Rolle gespielt. Dabei werden modifizierte Bakteriengene in Pflanzen exprimiert, die hochspezifische Insektengifte produzieren, die für andere Arten unschädlich sind und in der landwirtschaftlichen Praxis als Insektizide eingesetzt werden, indem eine Bakteriensuspension auf die Pflanzen gesprüht wird. Auf diese Weise können Pflanzen einen natürlichen Schutz gegen Schadinsekten entwickeln, was den Bedarf an Insektiziden verringert und umweltfreundlichere landwirtschaftliche Praktiken ermöglicht.

Ein weiteres wegweisendes Beispiel ist die Entwicklung von mit Vitamin A angereichertem Reis, auch bekannt als „Golden Rice“, durch das Team der schweizerisch-deutschen Forscher Ingo Potrykus und Peter Beyer. Mit Hilfe von Agrobacterium wurden Gene eingeschleust, die es dem Reis ermöglichen, Beta-Carotin, eine Vorstufe von Vitamin A, zu produzieren. Dieser Reis kann dazu beitragen, den Vitamin-A-Mangel, der vor allem in Entwicklungsländern ein Gesundheitsproblem darstellt, zu bekämpfen und die Ernährungssicherheit zu verbessern.

Mit diesen Anwendungen hat die Agrobacterium-vermittelte Pflanzentransformation die moderne Landwirtschaft maßgeblich beeinflusst und den Weg für die Entwicklung von nachhaltigeren, widerstandsfähigeren und nährstoffreicheren Nutzpflanzen geebnet.

Internationaler Wettbewerb

Eine solch bahnbrechende Forschung blieb natürlich nicht ohne Konkurrenz, und mehrere Gruppen waren daran beteiligt. Ein bemerkenswerter Patentstreit betraf die Nutzung der Agrobacterium-vermittelten Pflanzentransformation und deren Anwendung in der Pflanzenbiotechnologie. Es kam zu einem heftigen Streit um die Erstrechte, der mit einer Teilung der Rechte zwischen der MPG und Monsanto beigelegt wurde.

Erst 2005 kam es zu einem Vergleich, eine späte Würdigung für Jeff Schell, der am 17. April 2003 in Brüssel verstorben ist. Die Vereinbarung sieht vor, dass die Max-Planck-Gesellschaft, ihr exklusiver Lizenznehmer Bayer Crop Science und Monsanto ihre jeweiligen Agrobacterium-vermittelten Transformationstechnologien weltweit gegenseitig lizenzieren.

Die Klärung von Patentansprüchen ist von entscheidender Bedeutung, um Innovationen zu fördern und den technologischen Fortschritt zu beschleunigen, während gleichzeitig der Schutz geistiger Eigentumsrechte gewährleistet wird.

Der Patentstreit um die Agrobacterium-vermittelte Pflanzentransformation hat verdeutlicht, dass der Einsatz gentechnischer Veränderungen in der Landwirtschaft nicht nur wissenschaftliche und ethische Aspekte berührt, sondern auch eine komplexe rechtliche Dimension umfasst. Diese gilt es zu berücksichtigen, um den Fortschritt in der Pflanzenbiotechnologie voranzutreiben. Das jüngste Aufkommen von Präzisionswerkzeugen für die Pflanzenzüchtung der „zweiten Generation“ auf der Grundlage von CRISPR/CAS9 -Gene Editing-Systems ändert nichts an dieser Situation, da diese Technologie nach wie vor weitgehend auf der Einführung von Agrobacterium-vermittelten Gen-Editing-Konstrukten in Pflanzen beruht. Nach der präzisen Übertragung der gewünschten Pflanzengene kann die T-DNA des Agrobakteriums jedoch einfach aus dem Pflanzengenom entfernt werden (z. B. durch Kreuzung oder Exzision), so dass das Endprodukt nicht mehr „transgen“ ist und seine tatsächliche Identität nun auch durch eine Gesamtgenomsequenzierung verifiziert werden kann.

Pflanzliche GVO (gentechnisch veränderte Organismen), die mit Hilfe dieser neuen Technologien hergestellt wurden, unterscheiden sich daher nicht von Pflanzenvarianten, die mit herkömmlichen Züchtungsmethoden erzeugt wurden

Zur Redakteursansicht