Wegweiser durchs Genom
 

11. Mai 2023

Pflanzen zeigen eine enorme Vielfalt züchtungsrelevanter Merkmale wie Pflanzenhöhe, Ertrag und Resistenzen gegenüber Schädlingen. Eine der größten Herausforderungen der modernen Pflanzenforschung ist es, die Unterschiede in der Erbinformation ausfindig zu machen, die für diese Variation der Merkmale verantwortlich sind. Ein Forschungsteam unter Leitung der Arbeitsgruppe „Crop Yield“ am Institut für Molekulare Physiologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung (MPIPZ) in Köln hat nun ein Verfahren entwickelt, um genau diese speziellen Unterschiede in der Erbinformation zu identifizieren. Am Beispiel von Mais demonstrieren sie in der Fachzeitschrift Genome Biology das große Potenzial ihrer Methode und präsentieren Regionen im Maisgenom, die bei der Züchtung zur Ertragsteigerung und der Schädlingsresistenz helfen können.

Auf dem Erbmolekül, der DNA, ist der Bauplan aller Organismen verschlüsselt. Dazu gehören die Gene, welche die Proteine verschlüsseln und die eigentlichen Merkmale bestimmen. Darüber hinaus gibt es weitere wichtige Bereiche auf der DNA, insbesondere die Abschnitte, die die Regulation der Gene kontrollieren: also wann, unter welchen Bedingungen und in welchem Ausmaß die Gene ausgelesen werden.

Im Vergleich zu den Genen sind diese Regulationsabschnitte – auch „cis-Elemente“ genannt – aber schwer zu finden. Es sind jedoch Veränderungen in genau diesen DNA-Elementen, welche zum großen Teil für die Unterschieden zwischen Organismen – und damit auch zwischen verschiedenen Pflanzensorten – verantwortlich sind.

In den letzten Jahrzehnten haben Forschende entdeckt, dass die Regulationsabschnitte die Bindungsstellen von Proteinen sind, die sogenannten Transkriptionsfaktoren. Es sind diese Transkriptionsfaktoren, die bestimmen, wann und wie lange Gene ausgelesen werden.

Studienautor Dr. Thomas Hartwig, Leiter der Arbeitsgruppe „Crop Yield“ am HHU-Institut für Molekulare Physiologie und am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung (MPIPZ) in Köln: „Es gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen, unter den Abermillionen von Varianten die wenigen zu finden, die für die Veränderung eines Merkmales wie zum Beispiel der Schädlingsresistenz wichtig sind.“ 

„Im Gegensatz zu den Protein-kodierenden Genen können die regulatorischen Stellen anhand der Sequenz selbst nicht erkannt werden und sind daher schwer zu identifizieren. Unsere Methode misst mit Hilfe von Hybridpflanzen die direkten Auswirkungen der DNA-Sequenzvariation auf die Transkriptionsfaktorbindung“, sagt der leitende Autor Zhi-Yong Wang vom Carnegie Institution for Science.

Neben dem Carnegie Institute for Science in Stanford und der HHU-/MPIPZ-Arbeitsgruppe wurde die Studie in Kooperation mit Forschenden des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben sowie der University of Nebraska-Lincoln und der Iowa State University in den USA entwickelt.

Bei Hybriden – Pflanzen, die aus der Kreuzung verschiedener Zuchtlinien hervorgegangen sind – kann das Forschungsteam über das gesamte Genom hinweg vergleichen, welche regulatorischen Regionen sich unterscheiden. Koautorin Dr. Julia Engelhorn: „Unsere Analysemethode erlaubt es genau zu messen, ob Transkriptionsfaktoren mehr an das mütterliche oder das väterliche Erbgut binden.“ So identifizierte das Team tausende Unterschiede, die mit dem Ertrag und der Schädlingsresistenz im Mais verknüpft sind.

Die Technologie wurde für einen Transkriptionsfaktor des wachstums- und krankheitsbezogenen Hormons Brassinosteroid demonstriert. Institutsleiter Prof. Dr. Wolf B. Frommer: „Das Team hat tausende Genomvariationen identifiziert, die erklären können, wieso eine Maissorte sich in Bezug auf Ertrag oder Krankheitsresistenz anders verhält. Zudem konnte es zeigen, dass diese Unterschiede fast gleichermaßen genetisch und epigenetisch sind.“ Die Epigenetik beschreibt Faktoren, die die Aktivität eines Gens beeinflussen, ohne in der DNA-Sequenz selbst kodiert zu sein.

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist eine Liste von über 6.000 Genomregionen, die für eine gezielte Pflanzenzüchtung in Frage kommen. Dies sind beispielsweise Bereiche, durch die in bestimmten Maispflanzen positive Eigenschaften ausgeprägt werden, die anderen Pflanzen fehlen.

Hartwig: „Die Stellen im Genom zu kennen, an denen moderne Züchtungsverfahren ansetzen können, um bereits in der Natur ausgeprägte Merkmale bestimmter Pflanzen auch auf andere zu übertragen, ist von großer Bedeutung für die Biotechnologie. Unsere Studie kann als Wegweiser für die Suche nach solchen interessanten Genomregionen dienen.“ Prof. Frommer ergänzt: „Die Ergebnisse legen die Basis für die Züchtung neuer Maissorten mit Hilfe moderner Züchtungsverfahren durch geschickte Kombination von optimalem Varianten.“ 

Die Studie wurde im Rahmen der Exzellenzinitiative CEPLAS an der HHU, durch Einzelförderung von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), durch die Carnegie Institution for Science, die Alexander von Humboldt-Professur von Prof. Frommer sowie vom US-amerikanischen National Institutes of Health und dem Ministerium für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten des Landes Sachsen-Anhalt gefördert.

Text: Arne Claussen, HHU Düsseldorf

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