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Kölner Max-Planck-Forscher entschlüsseln Resistenzmechanismus der Gerste gegen Pilzinfektionen

19. August 2004

Der Mehltau ist eine bei Getreide häufig auftretende Pilzerkrankung, die nur durch regelmäßigen Fungizideinsatz große Ertragseinbußen in der Landwirtschaft verhindert. Einige Getreidesorten sind jedoch von Natur aus gegen den Mehltaupilz immun. Bei der Gerste sind es u.a. Sorten, die einen Defekt im Mlo-Gen haben und flächendeckend in Europa angebaut werden. Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung (MPIZ) in Köln ist es nun zusammen mit Kollegen in Großbritannien, Frankreich und Dänemark gelungen, das Geheimnis dieser Resistenz zu lüften und dabei gleichzeitig ein Schlaglicht auf die Kulturgeschichte der Pflanzenzüchtung zu werfen (Nature, 19. August 2004, Titelgeschichte).

Pflanzen besitzen - ähnlich wie Tier und Mensch - ein ausgeklügeltes mehrstufiges Immunsystem, das es ihnen ermöglicht, Parasiten zu erkennen und zu töten. Für die Erkennung von Parasiten ist eine regelrechte Armada von pflanzlichen Rezeptoren verantwortlich, ein Radarsystem, das Pflanzenzellen den Angriff von Schaderregern signalisiert. Will ein Parasit dieses Immunsystem überwinden, muss er entweder das Radar der Rezeptoren unterlaufen oder zelluläre Immunreaktionen lahm legen, die der Erkennung nachgeschaltet sind. Der Mehltaupilz hat sich für die letztere Variante entschieden und manipuliert zu diesem Zweck ein in der Zellmembran von Gerstepflanzen vorkommendes so genanntes MLO-Protein, für das das zugehörige Mlo-Gen im DNA-Erbgut die Bauanleitung liefert. Seit längerer Zeit war bekannt, dass im Labor erzeugte Mutationen im Mlo-Gen entweder zu einer fehlerhaften Bauanleitung oder zum Fehlen des Proteins führen und dadurch dem Mehltauparasiten die Grundlage entziehen, mit deren Hilfe er die Immunantwort der Pflanze sabotiert.

Tatsächlich gibt es aber auch eine natürlicherweise entstandene Mutation im Mlo-Gen, die Pilzresistenz zur Folge hat: es sind aus dem Hochland von Äthiopien stammende Landrassen, primitive Zuchtformen der Gerste. Sie sind von einer Expedition Ende der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts erstmals nach Europa gebracht worden. Diese Mutation spielt in der Landwirtschaft eine bedeutende Rolle - sie wurde in etwa 70 Prozent der in Deutschland angebauten Sommergersten eingekreuzt und ist auch in den europäischen Nachbarländern weit verbreitet. Sommergerste liefert den Rohstoff bei der Herstellung von Bier und Whiskey. Die mlo-resistenten Sorten haben sich in den vergangenen 30 Jahren hervorragend im Feldanbau bewährt und den Einsatz von Fungiziden gegen den Mehltaupilz überflüssig gemacht.

Zwei Gerstenähren: Die begrannte Ähre stammt von einem europäischen Elitekultivar und die unbegrannte von einer äthiopischen Landrasse mit dem natürlichen Resitenzgen gegen den Mehltaupilz.

Auf der Suche nach dem Mechanismus dieser Resistenz stießen die Forschergruppen von Ralph Panstruga und Paul Schulze-Lefert auf ein Bruchstück des Mlo-Gens, das mehrfach wiederholt im Genom der Mutante auftaucht. Ungefähr zehn direkt benachbarte Wiederholungseinheiten dieser Gen-Trümmer konnten die Wissenschaftler nachweisen. Sie befinden sich "stromaufwärts" auf der DNA, direkt neben dem regulären Gen und sind unmittelbar mit der Mehltauresistenz der Pflanzen verknüpft. "Die Genbruchstücke werden mit dem normalen Gen abgelesen", erklärt Schulze-Lefert. "Damit ist aber das ursprüngliche Leseraster in der Regel nicht mehr zu erkennen, und das MLO-Protein kann nicht produziert werden." Wenn doch einmal das richtige Leseraster gefunden wird - was in Einzelfällen vorkommt - können zumindest kleinste Mengen des MLO-Proteins hergestellt werden, und in ganz geringem Umfang und mit dem bloßen Auge kaum erkennbar kann der Parasit dann noch auf den Blättern der Gerste wachsen.

Aber auch eine andere Frage hat das Interesse der Kölner Max-Planck-Forscher geweckt: Wann entstand diese Veränderung des Mlo-Gens in der freien Natur? Eine Art "genetischer Fingerabdruck" der äthiopischen Landrassen verriet, dass die Mutation erst "kürzlich" - wahrscheinlich vor weniger als 10.000 Jahren - entstanden ist; ein Zeitraum, der mit der Kultivierung der Gerste durch den Menschen gut übereinstimmt. "Wir vermuten, dass die mehltauresistenten Landrassen möglicherweise von äthiopischen Ureinwohnern als vorteilhaft erkannt und vermehrt worden sind", sagt Ralph Panstruga.

Die heutzutage in Europa angebauten Gerstesorten sind einander außerordentlich ähnlich: es gibt nur drei Grundtypen, während Wildgerste eine nahezu unbegrenzte genetische Vielfalt aufweist. Diese genetische Verarmung unserer Kultursorten stellt nach Ansicht der Forscher durchaus ein Problem dar; denn es fehlt an einer "gesunden" Vielfalt von Bauanleitungen für Rezeptoren des pflanzlichen Immunsystems - die Zuchtformen sind daher verstärkt krankheitsanfällig. Die außerordentliche Effizienz des in Wildformen vorkommenden Repertoirs von Immunrezeptoren könnte auch erklären, warum sich in den Wildformen die mlo-Resistenz offensichtlich nicht durchsetzen konnte. Der Ausfall des Mlo-Gens hat nämlich, neben der wünschenswerten Mehltauresistenz, auch andere Effekte (z.B. eine vorzeitige Alterung der Blätter), die zwar in den Zuchtformen von untergeordneter Bedeutung sind, in den Wildformen aber zu einem Wettbewerbsnachteil führen. Die Forscher plädieren daher für eine zukünftige rationale Resistenzzüchtung in Pflanzen. So könnte das Repertoir von Immunrezeptoren beispielsweise durch gezieltes Einkreuzen von Genen aus Wildformen oder durch das Einbringen verschiedener Kombinationen dieser Gene mit Hilfe der Gentechnologie deutlich erweitert werden.

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