Kartoffel-Genom entschlüsselt

Die komplette Sequenzierung des Erbguts erleichtert die Züchtung neuer Sorten

3. März 2022

Mehr als 20 Jahre nach der Entschlüsselung des menschlichen Genoms haben Forschende der Ludwig-Maximilians-Universität München und des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln zum ersten Mal das hochkomplexe Genom der Kartoffel komplett entschlüsselt. Diese technisch anspruchsvolle Studie legt die biotechnologische Grundlage, um die Züchtung von robusteren Sorten zu beschleunigen.
 

Wer heute auf einem Wochenmarkt Kartoffeln kauft, geht mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Sorte nach Hause, die es schon vor mehr als 100 Jahren gab. Obwohl nicht erst in den letzten Jahren traditionelle Kartoffelsorten beliebt sind, zeigt das auch einen Mangel an Vielfalt unter den vorherrschenden Sorten. Das könnte sich jedoch demnächst ändern: Forschenden um den Genetiker Korbinian Schneeberger vom Kölner Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung ist es nun gelungen, das erste vollständige Genom der Kartoffel zusammenzusetzen. Dies ebnet den Weg, um neue, robuste Sorten zu züchten: „Die Kartoffel wird weltweit immer mehr zum Bestandteil der Grundernährung“, sagt der Wissenschaftler. „Selbst in asiatischen Ländern wie China, wo Reis das traditionelle Grundnahrungsmittel ist, gewinnt die Kartoffel immer mehr an Einfluss. Anhand dieser Studie können wir nun die genombasierte Züchtung neuer Kartoffelsorten unterstützen, die produktiver und widerstandsfähiger gegen den Klimawandel sind. Das könnte einen enormen Einfluss auf die weltweite Ernährungssicherheit in den kommenden Jahrzehnten haben."

Vor allem die geringe Diversität macht Kartoffelpflanzen seit jeher anfällig für Krankheiten. Besonders drastisch trat das während der irischen Hungersnot in den 1840er-Jahren zutage, wo nahezu die gesamte Kartoffelernte über mehrere Jahre hinweg noch im Boden verdarb und Millionen Menschen in Europa Hunger litten. Zu der Katastrophe kam es, weil nur eine einzige Sorte angebaut wurde, die nicht resistent gegen die neu aufgetretene Knollenfäule war. Während der Grünen Revolution in den 1950er- und 1960er Jahren gelang es Pflanzenzüchtern, die Erträge vieler Grundnahrungsmittel wie Reis oder Weizen erheblich zu stabilisieren. Bei der Kartoffel jedoch gab es bis heute keine vergleichbare Entwicklung, und die Bemühungen, neue Sorten mit höheren Erträgen zu züchten, sind bis heute weitgehend erfolglos geblieben.

Der Grund dafür ist einfach, aber schwierig zu lösen: Anstatt je eine Kopie jedes Chromosoms vom Vater und von der Mutter zu erben, so wie es bei uns Menschen der Fall ist, erbt die Kartoffel zwei Kopien jedes Chromosoms von jedem Elternteil, sodass jedes Chromosom vierfach vorliegt. Vier Kopien jedes Chromosoms bedeuten auch vier Kopien jedes Gens, was die Erzeugung neuer Sorten mit einer gewünschten Kombination individueller Eigenschaften sehr schwierig und zeitaufwändig macht. Und genauso war die Rekonstruktion des Kartoffelgenoms aufgrund dieser vielen Chromosomen-Kopien eine weitaus größere technische Herausforderung als es beim menschlichen Genom der Fall war.

Den Forschenden ist es mit einem einfachen, aber eleganten Trick gelungen, diese Hürde zu überwinden: Anstatt die vier oft sehr ähnlichen Chromosomenkopien voneinander zu unterscheiden, umgingen Korbinian Schneeberger, sein Kollege Hequan Sun und weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Problem, indem sie die DNA nicht wie üblich aus dem Blattgewebe entnahmen, sondern die Genome einzelner Pollenzellen analysierten. Im Gegensatz zu anderen Zellen enthält jede Pollenzelle nur zwei Kopien jedes Chromosoms, was die Rekonstruktion des Genoms erleichtert.

Die Kenntnis der vollständige DNA-Sequenz der Kartoffel kann die Erzeugung neuer Sorten erheblich vereinfachen und ist bereits seit vielen Jahren ein Ziel in der Pflanzenzüchtung. Mit diesen Informationen können Forschende nun leichter Genvarianten identifizieren, die für erwünschte oder unerwünschte Eigenschaften verantwortlich sind - ein erster Schritt, um sie in die Züchtung mit einzubeziehen oder auszuschließen.

 

 

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