Neue Blattformen für die Ackerschmalwand
Max-Planck-Forscher statten die Pflanze mit Fiederblättern aus
Schon ein Blick auf den Salatteller oder in den Garten lässt erkennen, wie unterschiedlich Blätter aussehen können. Spinatblätter zum Beispiel besitzen glatte Ränder und sind vergleichsweise einfach gestaltet, während Petersilienblätter tief gekerbt und aus einzelnen Untereinheiten zusammengesetzt sind. Wie Entwicklungsgene das Zellwachstum beeinflussen und solch großen Unterschiede hervorrufen können, haben Wissenschaftler vom Kölner Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung ermittelt. Mit ihrem Wissen konnten die Forscher die einfachen Blätter der Ackerschmalwand in komplexen Blätter ähnlich denen des Behaarten Schaumkrauts umwandeln, einer verwandten Pflanze mit aus Untereinheiten zusammengesetzten Blättern.
Wie all die vielfältigen Blattformen in der Natur entstehen, ist nicht leicht zu verstehen: Selbst die unterschiedlichsten Blätter entstehen aus winzigen, immer gleich aussehenden Knospen mit wenigen Zellen. Gleichzeitig können ganz unterschiedliche Wachstumsmuster ähnlich aussehende Blätter erzeugen.
In ihrer Studie haben die Wissenschaftler zunächst unter dem Mikroskop verglichen, wie regulatorische Gene in der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana und im nah verwandten Behaarten Schaumkraut (Cardamine hirsuta) das Zellwachstum dirigieren und wie die Zellen wachsen. Anschließend haben sie die genetischen und mikroskopischen Daten zusammengefügt, um herauszufinden, wie Gene bestimmte Formen hervorbringen.
Unterschiedliche Entwicklung
Für einige Stunden nach der Knospenbildung entwickeln sich die Blätter beider Pflanzenarten ähnlich. In beiden Pflanzenarten führen dieselben genetischen Regeln dazu, dass sich langsam und schnell wachsende Zellen am Blattrand miteinander abwechseln. Dadurch wachsen den Blättern wiederholt Auswüchse. Dann bilden die beiden Arten jedoch unterschiedliche Formen: Beim Schaumkraut bilden sich einzelne Untereinheiten, sogenannte Fiederblätter, während bei der Ackerschmalwand lediglich kleine Zähne am Blattrand entstehen.
Diese Unterschiede beruhen auf zwei regulatorischen Genen, die nur beim Haarigen Schaumkraut aktiv sind. Ein Gen namens RCO bremst lokal das Zellwachstum rund um die Auswüchse, so dass diese tiefer eingeschnitten werden. Das STM-Gen kontrolliert das Wachstum weiträumiger: Es verlangsamt die Reifung der Zellen und lässt sie so länger in eine Richtung wachsen. Dadurch entstehen große Fiederblätter. Die Kombination beider Effekte mündet schließlich in ein komplexes Blatt mit seinen Untereinheiten.
Komplexes Blatt mit Fiederblättern
Die Forscher haben dann in einer Knospe der Ackerschmalwand die RCO- und STM–Gene zu den richtigen Zeitpunkten und Orten angeschaltet. Dadurch bildete die Knospe statt des üblichen einfachen Blattes ein komplexes Blatt. „Das Experiment hat sich wirklich gelohnt. Es ist, als ob man die Schwanzfedern eines Spatzen in die eines Pfaus verwandeln würde“, sagt Tsiantis. Die Ergebnisse sind bemerkenswert, denn bislang war kaum bekannt, wie Gene das Blattwachstum beeinflussen und so die mannigfaltigen Blattformen unterschiedlicher Arten hervorbringen.
Nach vorläufigen Erkenntnissen der Kölner Forscher können komplexe Blätter unter bestimmten Bedingungen möglicherweise besser Kohlendioxid verwerten als einfache Blätter. „Die Umwandlung einfacher in komplexe Blätter durch die Manipulation des Blattwachstums könnte somit den Ertrag mancher Nutzpflanzen steigern“, sagt Tsiantis.
KW/HR