Ein verborgender Schatz: Pflanze die unterirdisch Blüten und Früchte trägt
Forschende beschreiben die ungewöhnliche Eigenschaft der Amphikarpie, bei der eine Pflanze gleichzeitig zwei verschiedene Fruchttypen hervorbringt: eine oberirdische und eine unterirdische.
Pflanzen haben zahlreiche Strategien entwickelt, um ihre Samen zu verbreiten. Allerdings ist nur ein Bruchteil dieser Merkmalsvielfalt durch die Untersuchung von Modellorganismen zugänglich. In einer kürzlich im New Phytologist veröffentlichten Studie etablieren Dr. Angela Hay und ihre Kolleg:innen vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln Cardamine chenopodiifolia als neues experimentelles Modell-System, um diese Lücke zu schließen.

Cardamine chenopodiifolia ist amphikarp, d.h. jede Pflanze bildet zwei Fruchttypen aus, von denen einer unterirdisch vergraben wird. Die beiden Fruchtarten nutzen sehr unterschiedliche Ausbreitungsmechanismen, wodurch die Pflanze ihre Fortpflanzung strategisch absichert, und damit das Risiko streut.
Die oberirdischen Früchte nutzen die für alle Cardamine-Arten typische explosive Samenausbreitung. Die Früchte bestehen aus zwei langen Klappen, die die Samen umschließen. Sobald die Samen reif für die Verbreitung sind, springen die Klappen auf und rollen sich zurück. Dadurch können zahlreiche Samen über eine große Fläche verteilt werden.
Im Gegensatz dazu sind die unterirdischen Früchte nicht explosiv und produzieren weniger, dafür aber größere Samen, die im Boden vergraben werden. Die Autoren führen den Ursprung dieser unterirdischen Früchte auf winzige Blütenknospen an der wachsenden Spitze des Haupttriebs zurück. Jede Blütenknospe wird durch die schnelle Ausdehnung des tragenden Stängels in den Boden gepresst. Auf ihrem Weg durch den Boden bestäuben sich die Blüten selbst und entwickeln sich zu Früchten, die einen Vorrat an Samen enthalten.
Diese explosiven Früchte besitzen ein einzigartiges mechanische Design, das sich durch eine verhärtete Zellwand mit einer scharnierartigen Struktur auszeichnet. Diese Scharniere sind entscheidend für die explosive Freisetzung der im Fruchtkörper gespeicherten potenziellen Energie. Um diese scharnierartigen Strukturen zu erzeugen, wird Lignin in einem gerichteten Muster in den Endokarpzellen abgelagert.
In den nicht-explosiven, unterirdischen Früchten fehlen diese Scharnierstrukturen. Stattdessen lagert sich das Lignin gleichmäßig um die Endokarpzellen ab. Dr. Emonet erklärt: „Wir wissen noch wenig darüber, welche Gene das gerichtete Ligninmuster in explosiven Früchten steuern.“ Sie vermutet, dass die Gen-Netzwerke, die sowohl das
gerichtete wie auch das ungerichtet Ligninmuster regulieren, im einzigen Genom von C. chenopodiifolia kodiert sind. Dies bietet eine einzigartige Möglichkeit, die Genexpression zwischen explosiven und nicht-explosiven Früchten in derselben Pflanze zu vergleichen.
Das Genom von C. chenopodiifolia zeichnet sich auch durch Polyploidie, also eine Verdopplung des gesamten Genoms aus. Statt wie bei diploiden Organismen zwei Chromosomensätzen zu besitzen, einer von jedem Elternteil, verfügt C. chenopodiifolia oktoploid über acht Chromosomensätzen. Polyploidie wird oft mit evolutionären Neuerungen wie der Amphikarpie in Verbindung gebracht, doch die Komplexität polyploider Genome erschwert die Untersuchung dieser Merkmale.
Die Autoren gingen dieses Problem an, indem sie C. chenopodiifolia als experimentelles Modell etablierten. Sie charakterisierten detailliert die Entwicklung von Frucht-, Blüten- und Samenformen, lieferten den ersten Nachweis für eine stabile Transgenese und generierten ein Referenztranskriptom mittels PacBio long-read isoform Sequenzierung. Diese Erkenntnisse bilden nun die Grundlage für zukünftige Forschungen zur Amphikarpie, Samenverbreitung und Merkmalsentwicklung durch Polyploidie.