Stellungnahme der Direktoren am Max Planck Institut für Pflanzenzüchtungsforschung zu der jüngsten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bezüglich genetisch veränderter Organismen

6. August 2018

Wir, die Direktoren des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung, sind bestürzt über das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs der Europäischen Union, das gentechnisch veränderte Pflanzen und Nutzpflanzen streng reguliert.

Die Bedeutung der Gen-Editierung für moderne Pflanzenforschung und Landwirtschaft ist kaum zu überschätzen. Um nur ein Beispiel aus unserer eigenen Forschung zu nennen: In den 1990er Jahren isolierten wir das MLO Gen der Gerste, das bei Mutation eine dauerhafte und breite Resistenz gegen den pathogenen Mehltaupilz bietet. Die Mutation dieses Gens, die auch in der Natur vorkommt, wird seit mehr als 40 Jahren erfolgreich in der europäischen Landwirtschaft im Gerste Getreideanbau eingesetzt. Darüber hinaus wurde die Gentechnik genutzt, um diese Resistenz in fast alle wirtschaftlich bedeutenden Pflanzenarten einzuführen, einschließlich Weizen und Tomate. Während in der Gerste die Inaktivierung der Funktion dieses Gens relativ einfach ist, indem traditionelle züchterische Ansätze verwendet werden, erfordert es im Weizen, der sechs Kopien des MLO Gens enthält, viel gezieltere und spezifischere Methoden, die jetzt durch die Gen-Editierung zur Verfügung stehen.

Bei der Erläuterung seiner Entscheidung hat der Gerichtshof argumentiert, "dass sich die mit der Anwendung dieser neuen Mutagenesetechniken verbundenen Risiken als ähnlich erweisen könnten wie bei der Produktion und Freisetzung eines gentechnisch veränderten Organismus (GVO) durch Transgenese." Eine solche Begründung verwässert grundlegende Unterschiede zwischen Gen-Editierung und transgener Technologie. Hochspezifische Methoden, wie beispielsweise CRISPR-Cas9, können verwendet werden, um ein einzelnes Gen innerhalb eines Genoms, das Zehntausende von Genen enthält, selektiv zu deaktivieren. Die Sequenzierung des gesamten Genoms der resultierenden Mutante (das Jahr für Jahr einfacher und billiger wird) und der Vergleich mit dem Original kann dann zeigen, ob irgendwelche anderen unerwünschten Veränderungen stattgefunden haben. Kein fremdes genetisches Material wird eingeführt. Außerdem ist das Verfahren im Vergleich zu herkömmlichen Techniken wie der strahleninduzierten Mutagenese in seiner Präzision chirurgisch. Wie an anderer Stelle argumentiert wurde, sollte die Sicherheit einer mutierten Pflanze nicht durch die Technik bestimmt werden, mit der sie erzeugt wird, sondern durch die endgültige genetische Zusammensetzung der Pflanze selbst. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass tausende Sorten mutierter Nutzpflanzen, die unter Verwendung des „Schrotflinten-Ansatzes“ mit chemischer oder strahleninduzierter Mutagenese erzeugt wurden, für die Vermarktung zugelassen wurden und täglich von Millionen Menschen konsumiert werden.

Die Auswirkungen des EuGH-Urteils werden sich natürlich in der Pflanzenschutzforschung in der EU bemerkbar machen und Feldversuche auf dem Gebiet der molekularen Ökologie erschweren. Darüber hinaus benachteiligen uns solche Beschränkungen gegenüber nicht-europäischen Kollegen. Die gravierendsten Konsequenzen dürften jedoch für die Landwirtschaft und die Welternährungssicherheit zu erwarten sein. Bis zum Jahr 2050 wird die Nachfrage nach Lebensmitteln weltweit doppelt so hoch sein wie 2005, und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen prognostiziert, dass diese erhöhte Nachfrage nicht erreicht werden kann, wenn wir unseren derzeitigen Kurs in der Pflanzenzüchtung und Pflanzenproduktion fortsetzen. Die gentechnische Veränderung von Pflanzen bietet ein enormes Potenzial um sie produktiver und widerstandsfähiger zu machen. Dies gilt besonders in einer Welt, in der die Ernteerträge einen Stillstand erreicht haben, der Einsatz von Herbiziden, Pestiziden und Kunstdünger jedoch umstritten ist und die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ernteerträge spürbar wird. Die diesjährige Dürre dürfte die Ernten in Deutschland schmerzhaft reduzieren. Schließlich wird das Urteil des Europäischen Gerichtshofs sicherlich dazu führen, dass hervorragend ausgebildete junge europäische Wissenschaftler in landwirtschaftliche Unternehmen in aussereuropäische Staaten abwandern werden.

 

Paul Schulze-Lefert, George Coupland und Miltos Tsiantis

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