Kälte bringt nur ausgewachsene Pflanzen zum Blühen

Ein doppelter Mechanismus sorgt dafür, dass nur ältere Pflanzen nach dem Winter blühen

24. Januar 2019

Nach einem kalten Winter zeigen blühende Pflanzen den Beginn des Frühlings an. Viele Pflanzen brauchen die vorangegangene Kälte, um Knospen zu bilden und zu blühen. Durch die Kälteperiode wissen sie, dass der Winter vorüber ist. Allerdings blühen nur ältere Pflanzen unter diesen Bedingungen, während sehr junge Pflanzen oft nicht auf die Kälteeinwirkung reagieren. Forscher des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtung in Köln haben untersucht, wie das Alter der Pflanzen deren Empfänglichkeit für Winterkälte beeinflusst. Den Forschern zufolge bestimmt die Aktivität des Proteins SPL15 das Alter, in dem mehrjährige Pflanzen in Kälte blühen. Einjährige Pflanzen bilden dieses Protein ebenfalls, können aber auch unabhängig davon blühen, wenn die Tage länger und wärmer werden. Auf molekularer Ebene ist es unterschiedlich geregelt, wann ein- und mehrjährige Pflanzen zu blühen beginnen. Durch die Übertragung eines einzelnen Gens von einer mehrjährigen auf eine einjährige Art konnten die Forscher das Blühverhalten grundlegend verändern.

Die Alpen-Gänsekresse ist eine mehrjährige krautige Pflanze, die bis über 3000 Meter Höhe vorkommen kann. Ein ausgefeilter genetischer Mechanismus stellt sicher, dass nur die älteren Pflanzen im Winter Blütenknospen bilden.

Die Strategien von Pflanzen, sich zu vermehren, sind sehr unterschiedlich. Einjährige Pflanzen sind kurzlebig und beginnen bei passenden Umweltbedingungen wie warmen Temperaturen und günstiger Tageslänge schon kurz nach der Keimung zu blühen. Mehrjährige Pflanzen hingegen durchlaufen in ihrem Leben zahlreiche Blühperioden und müssen daher mit ihren Ressourcen haushalten. Nach der Keimung folgt zuerst eine vegetative Jugendphase, in der die Pflanze wächst und Reserven anlegt. Um Blühen zu können, müssen viele mehrjährige Pflanzen eine Kälteperiode durchlaufen, die den Prozess des Blühens einleitet. Jedoch setzen nur ältere mehrjährige Pflanzen in der Kälte Knospen an, Pflanzen, die sich noch in der Jugendphase befinden, bilden dagegen keine Blüten.

George Coupland und sein Team am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtung erforschen, wie das Alter der Pflanzen das Blühen beeinflusst. Dafür vergleichen sie das Verhalten von einjährigen und mehrjährigen Pflanzen und untersuchen, wie die mehrjährige Alpen-Gänsekresse (Arabis alpina) die Blüte nach der Winterkälte verzögert, bis die Pflanzen einige Wochen alt sind.

Proteinaktivität kontrolliert Blütenbildung

Die Ergebnisse zeigen, dass die Gänsekresse nur während der Kälte Blütenknospen entwickelt und dass dies abhängig von der Aktivität des Proteins SPL15 ist. Eine doppelte Kontrolle der SPL15 Aktivität stellt sicher, dass nur ältere Pflanzen nach Kälteeinwirkung blühen. Die erste Kontrolle erfolgt über das Protein PEP1, das die Produktion des SPL15-Proteins unterdrückt. Während einer längeren Kälteperiode wird PEP1 unterdrückt und kann so die Produktion des SPL15-Proteins nicht mehr hemmen. Unter Kälteeinwirkung ist das Protein SPL15 in den Pflanzen also aktiv und löst die Bildung von Blütenknospen aus.

Bei jungen Pflanzen wird das Blühen durch einen weiteren Mechanismus kontrolliert. Junge Alpenkresse-Pflanzen bilden in hoher Konzentration eine kurze Ribonukleinsäure, die sogenannte microRNA156. Diese verhindert ebenfalls die Herstellung des SPL15-Proteins. Die Konzentration von microRNA156 sinkt mit zunehmendem Alter der Pflanzen, bis SPL15 in ausreichender Menge hergestellt werden kann. Wenn auch PEP1 durch anhaltende Kälte ausgeschaltet ist, kann die Pflanze blühen. Die Aktivität von SPL15 und somit der Zeitpunkt des Blühens werden also sowohl durch Kälte, als auch durch das Alter der Pflanzen kontrolliert.

Einjährige Ackerschmalwand blüht schon als Jungpflanze

Unterschiedliche Signalwege kontrollieren die Blütenbildung in mehr- (links) und einjährigen (rechts) Pflanzen.

Zum Vergleich untersuchten die Forscher das Blühverhalten der einjährigen Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana). Diese kann schon als sehr junge Pflanze nach Kälteeinfluss das Blühen beginnen. Wie bei der Alpen-Gänsekresse wird auch in der Ackerschmalwand die Aktivität des SPL15-Proteins durch microRNA156 gehemmt. Die Blüte wird hier jedoch über einen anderen Mechanismus ausgelöst. Die Knospenbildung erfolgt dabei nicht in der Kälte, sondern erst, nachdem es wieder warm geworden ist. Der Grund dafür ist, dass das die Produktion des PEP1-Proteins in einjährigen Pflanzen auch nach der Kälteperiode weiterhin unterdrückt wird. Damit ist das SPL15-Protein auch nach der Kälte aktiv und kann die Knospenbildung auslösen.

Schließlich haben die Forscher die genetische Information des PEP-1-Proteins der mehrjährigen Alpen-Gänsekresse durch die der einjährigen Pflanzen ersetzt, wodurch diese schon als junge Pflanze während der Kälteperiode blühen konnte. „Durch den Austausch eines einzigen Gens können wir eine wichtige Eigenschaft von ein- auf mehrjährige Pflanzen übertragen“, erklärt George Coupland. Das könnte neue Wege eröffnen, um das Blühverhalten von Pflanzen gezielt zu verändern und beispielsweise für den landwirtschaftlichen Anbau in verschiedenen Klimazonen zu optimieren.

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