Die Kunst sich im Reich der Mikroben zu vernetzen

21. Januar 2016

Ähnlich wie auf der Haut von Menschen, so leben auch auf einem Pflanzenblatt Milliarden von Mikroben, die die Gesundheit der Pflanze beeinflussen. Wissenschaftler des Max-Planck-Institutes für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln entdeckten nun, dass die Zusammensetzung der auf dem Blatt lebenden Mikroben nicht willkürlich entsteht, sondern von der Umgebung und den Mikroben selbst geformt wird.

Einige von ihnen wie zum Beispiel Albugo laibachii aus der Gruppe der Pilz-ähnlichen (Scheinpilze oder Algenpilze) haben die Möglichkeit eine enge Beziehung mit der Pflanze einzugehen. Albugo scheint darüber hinaus die Kapazität zu besitzen, die Zusammensetzung der Mikrobengemeinschaft zu kontrollieren, indem der Algenpilz Signale zwischen der Pflanze und der auf ihr lebenden Mikrobengemeinschaft vermittelt. Diese Art von Interaktionen und Funktionen aus der Welt der Mikroben zu enthüllen ist nicht nur wichtig für die Pflanzenforschung sondern eröffnet die Möglichkeit interdisziplinärer Anwendungen in der Medizin oder andere Forschungsgebieten.

In unserer heutigen Welt spielen soziale Netzwerke eine immer bedeutendere Rolle, da sie Menschen überall auf der Welt verbinden. Hat jemand eine Idee oder etwas erfunden, kann er sich umgehend mit Personen gleichen Interesses in Kontakt bringen, er kann auf das bereits bestehende Netzwerk Einfluss nehmen und wiederum Menschen miteinander verknüpfen. In einem solchen Netzwerk wird eine sehr aktive und einflussreiche Person als Knotenpunkt oder im Zusammenhang mit Netzwerken als „Hub“ betitelt.

Das es auch im Kleinsten, in der Welt der Mikroorganismen, „Hub“-Mikroben gibt konnte der Wissenschaftler Matthew Agler aus der Gruppe von Eric Kemen am MPIPZ in Köln herausfinden. Er wollte verstehen, ob die Koexistenz von Mikroben auf der Pflanze ein Organisationsschema aufweist oder zufällig zustande kommt. „Wir wollten erfassen, ob es Mikroben gibt, die immer da sind und was es ihnen möglich macht die Pflanze zu besiedeln“, erklärt der Wissenschaftler.

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen sammelten sie Arabiodpsispflanzen an drei verschiedenen natürlichen Standorten im Frühling und Herbst und bestimmten die Zusammensetzung von drei Gruppen von Mikroorganismen: Pilze, Bakterien und Algenpilze. Mit diesem Ansatz war es möglich einen Anhaltspunkt zu bekommen, inwiefern die Faktoren Jahreszeit, lokales Klima und Pflanzentyp die Mikrobenzusammensetzung beeinflussen und wie robust manche Mikroben unter verschiedenen Umständen auftauchen.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass einige Mikroben selbst den größten Einfluss auf die Gemeinschaft ausüben. Wann immer Matthew Agler und seine Kollegen den Krankheitserreger Albugo auf den Pflanzen fanden, konnten Sie einen großen Unterschied in der Mikrobenzusammensetzung im Vergleich zu den unbefallenen Pflanzen feststellen. Auf den infizierten Pflanzen ließ sich eine deutlich geringere Variabilität von Mikroben feststellen, allerdings schien die Zusammensetzung der Mikroben stabiler zu sein.  „Albugo hält die Vielzahl der Bakterien klein und stabilisiert die Gemeinschaft“, erklärt Agler.

Weiterführende Analysen der Daten identifizierten auch andere Mikroorganismen, die wie Albugo die Fähigkeit besitzen die Mikroben im Umfeld gezielt zu beeinflussen und somit die Gemeinschaft zu formen. Solch zentral agierende Organismen, die mit anderen Mikroben verknüpft sind, nennt man Knotenpunkt- oder „Hub“- Mikroorganismen. Neben Albugo identifizierten die Wissenschaftler noch einen hefeähnlichen Pilz und einige Bakterien als solche. Obwohl Albugo und der hefeähnliche Pilz so wenig verwandt sind wie Menschen und Bakterien, scheinen die beiden trotzdem miteinander zu kommunizieren oder gemeinsam Signale zu den Bakterien senden zu können, die zu einer Umstrukturierung führen. Das Hauptmerkmal des „Hub“-Organismus Albugo ist seine Fähigkeit eine enge Beziehung mit der Pflanze aufbauen zu können. Der Algenpilz dringt mit Hilfe spezialisierter Wuchsformen in die Pflanzenzellen ein und breitet sich gleichzeitig zwischen den Zellen aus ohne der Pflanze dabei zu schaden. Den Spekulationen der Wissenschaftler nach ist diese intime Interaktion der Schlüssel zum „Hub“-Mikroorganismus, da Albugo als Botschafter zwischen Pflanze und mikrobieller Gemeinschaft fungiert. Warum und wie die anderen Knotenpunktmikroorganismen zu solchen werden und wie die Kommunikation zwischen ihnen trotz fehlender Verwandtschaft funktionieren kann bleibt noch herauszufinden.

Die Arbeit von Matthew Agler und seinen Kollegen ist der Anfang das Leben einer Pflanze neu zu erfassen. „Wenn wir den Holobionten, also die Pflanzen mit ihren ganzen eng assoziierten Organismen, und die sich dahinter verbergende Komplexität verstehen können, dann wird es unter Umständen möglich sein durch gezielten Einsatz einzelner oder mehrerer Mikroorganismen einen positiven Einfluss auf das Wachstum der Pflanze auszuüben.“ In Anbetracht dessen, dass gehäuft Pflanzenpathogene auftreten, die Resistenzen gegenüber der Pflanzenschutzmittel entwickelt haben, könnte die gezielte Eingrenzung von krankheitserregenden Mikroorganismen durch gesundheitsfördernde der Schritt in die Zukunft sein.

Darüber hinaus bietet diese neue Methode die Möglichkeit im medizinischen Bereich angewandt zu werden. Es ist bekannt, dass Milliarden von Mikroben in Assoziation mit dem menschlichen Körper leben und unsere Gesundheit beeinflussen. Im menschlichen Darm zum Beispiel haben die dort lebenden Mikroorganismen einen starken Einfluss auf unsere Verdauung und unser Immunsystem. Wenn es uns möglich wäre zu verstehen, welche Mikroorganismen sogenannte „Hub“-Mikroorganismen sind und wie die Zusammensetzung der Mikroben strukturiert ist, dann könnte es möglich werden den Menschen vor gefährlichen Krankheitserregern wie E.coli oder Salmonellen zu schützen.  Des Weiteren könnte ein gezielter Eingriff in die Mikrobengemeinschaft dazu dienen Krankheiten zu heilen oder sogar bereits antibiotikaresistente Bakterien zu bekämpfen.

AB

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