Kleine Ursache - große Wirkung

Forscher gewinnen neue Einblicke in die Wirkungsweise von microRNAs / Fehlen einer microRNA kann die Umwandlung von Blütenblättern zu Staubblättern verursachen

24. Juni 2007

Wenn die Pflanze eine Blüte bildet, müssen unterschiedliche Organe angelegt werden: die schützenden Kelchblätter, die meist farbigen Blütenblätter sowie die Staubblätter, die den Pollen bilden, und schließlich die Fruchtblätter. Dabei ist ein ganzes Orchester von Genen aktiv. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung in Köln haben nun zusammen mit Kollegen aus Nijmegen herausgefunden, dass die Blütenorganbildung von einem stark konservierten Kontrollmolekül, einer so genannten microRNA, maßgeblich gesteuert wird (Nature Genetics Online-Ausgabe, 24. Juni 2007).

Die Mutanten der Petunie und des Löwenmäulchens zeigen auffallende Ähnlichkeiten. Die Untersuchungen zeigen, dass durch einen gemeinsamen Gendefekt die "Grundordnung" der Blüte durcheinander geraten ist - mit dem Ergebnis, dass "falsche Organe an der falschen Stelle" wachsen.

Jede Blüte von höheren Pflanzen ist nach dem gleichen Muster aufgebaut: Zuerst kommen die grünen Kelchblätter, die zum Schutz der Blütenknospe da sind, danach ein Kreis aus oft wunderschönen Blütenblättern, die Insekten oder andere Bestäuber anlocken sollen, und im Inneren der Blüte verstecken sich die Staubblätter mit ihren Pollensäckchen und die Fruchtblätter, aus denen später mal eine Frucht und der Samen entstehen sollen. Tatsächlich ist dieses Muster bei allen höheren Pflanzen gleich. Doch wie sieht der genetische Masterplan dazu aus?

Die Kölner Forscher um Zsuzsanna Schwarz-Sommer untersuchten eine Löwenmäulchen-Mutante genauer, die anstelle der Blütenblätter noch einen Kreis Staubblätter ausbildet (Abb.1). Eine auffallend ähnliche Mutante gibt es auch bei Petunien. "Uns war klar, dass bei diesen beiden Mutanten, bedingt durch einen wahrscheinlich gemeinsamen Gendefekt, die Grundordnung durcheinander geraten war und dass dadurch falsche Organe an der falschen Stelle wuchsen", erläutert die Kölner Forscherin. Ein ähnliches Beispiel ist bei der Fruchtfliege bekannt: So gibt es eine Mutante, die anstelle von zwei Fühlern ein Beinpaar am Kopf trägt.

Die Experimente der deutschen und holländischen Forscher zeigten in der Tat, dass bei beiden Pflanzenarten eine Mutation in ein und demselben Kontrollmolekül für die veränderte Anordnung der Blütenorgane verantwortlich war. Dabei handelt es sich um eine so genannte microRNA. MicroRNAs sind sehr kurze Ribonukleinsäuren aus nur etwas mehr als 20 Nukleotiden. Sie können an die komplementäre Sequenz einer Boten-RNA (mRNA) binden, wodurch die Übersetzung der Boten-RNA in ein Protein verhindert wird; das dazugehörige Gen wird also quasi stumm geschaltet. Durch diese Interaktion beeinflussen microRNAs den Ablauf ganzer Signalketten.

Mutationen in microRNAs sind sehr selten, somit handelt es sich hier um das erste Beispiel für eine vergleichbare Kontrollfunktion einer microRNA in zwei Pflanzenspezies. "Die Erkenntnisse über die neuen Kontrollmechanismen durch die microRNAs müssen in das Modell zur Steuerung der Blütenbildung integriert werden, damit zukünftige mathematische Modellrechnungen für die Simulation der Blütenentwicklung auch korrekte Ergebnisse liefern", betont Schwarz-Sommer den Stellenwert ihrer Arbeiten.

In Lehrbüchern wird die komplizierte Steuerung der Bildung von Blütenorganen mit dem vereinfachten ABC-Modell erklärt. A, B und C stehen dabei für unterschiedliche Entwicklungsfunktionen: Die alleinige Expression von A führt zur Bildung von Kelchblättern, die Kronblätter entstehen durch das Zusammenwirken von A und B und die Staubblätter durch die gleichzeitige Ausprägung von B und C. Die zentralen Karpelle werden allein durch C festgelegt. Eine wesentliche Vorhersage des Modells wurde durch die neuen Arbeiten widerlegt und die statisch/räumliche Regulationsform durch eine zeitlich/dynamische ersetzt.

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