Blühen zur rechten Zeit: Robuste Steuerung des Blühzeitpunkts durch Alter und Umweltfaktoren

30. Mai 2016
Der Erfolg einer Pflanzen- oder Tierart hängt von einer möglichst hohen Anzahl an Nachkommen ab. Allerdings müssen die Nachkommen auch eine hohe Überlebenschance haben und die Fortpflanzung bringt Belastungen für die Eltern mit sich. Der maximale Fortpflanzungserfolg eines Organismus hängt somit vom Zeitpunkt der Fortpflanzung und der Anzahl der Nachkommen ab, welche einem hohen Selektionsdruck während der Evolution unterliegen.

Bei vielen Pflanzen und Tieren haben sich Mechanismen herausgebildet, die sicherstellen, dass gesteuert von Umweltsignalen die Fortpflanzung im Frühling stattfindet. Jedoch erklären die Reaktionen auf diese Umweltsignale die natürlich vorkommenden Fortpflanzungsmuster nicht vollständig. Zum Beispiel durchlaufen viele Organismen eine Phase der Juvenilität, in der sie sich nicht fortpflanzen, auch wenn sie entsprechenden Umweltfaktoren ausgesetzt sind. Dieser Aufschub bewirkt, dass der Elternorganismus auf die Belastungen der Fortpflanzung vorbereitet ist und wird von Entwicklungsprogrammen gesteuert. Eine Pflanze, die sich zu früh in ihrem Leben fortpflanzt, wird nicht lange genug leben, um Samen zu produzieren oder wird weniger Samen produzieren. Im Lebenszyklus jedes Organismus existiert also ein Spannungsverhältnis zwischen der Notwendigkeit, Nachwuchs hervorzubringen und der Anforderung, den richtigen Zeitpunkt für die Fortpflanzung im Verlauf des Lebens des Elternorganismus sowie im Zyklus der Jahreszeiten zu finden. Bei Pflanzen ist das erste Stadium der Fortpflanzung die Blühinduktion, die Entscheidung, keine weiteren Blätter zu produzieren, sondern Blüten zu formen. Bei den meisten Arten ist dieser Schritt irreversibel und um den optimalen Zeitpunkt sicherzustellen unterliegt er einer komplexen Regulation durch Umwelteinflüsse und Entwicklungsprogramme.
Zwei Veröffentlichungen des Labors von George Coupland, Direktor am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung, haben kürzlich zum Verständnis dieses Prozesses beigetragen.

Hyun et al. forschen an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana und beschreiben in einem Artikel in Developmental Cell die Identifizierung eines Transkriptionsfaktors, der abhängig vom Alter die Blühinduktion kontrolliert. Bemerkenswert ist, dass an einem Protein mit dem Namen SQUAMOSA PROMOTER BINDING PROTEIN LIKE 15 (SPL15) zwei Entwicklungsabläufe zusammenlaufen, die schon lange für ihre Rolle bei der Blütenbildung bekannt sind. Das SPL15 Gen entstand durch eine Genomduplikation am Ursprung der Familie der Brassicaceen und brachte zwei eng verwandte Gene, SPL15 und SPL9, hervor. Diese Gene blieben während der Diversifikation der Brassicaceen erhalten. Hyun et al. zeigen jedoch, dass SPL15 und SPL9 unterschiedliche zeitliche und räumliche Expressionsmuster entwickelten und unterschiedliche Funktionen haben. Nach dem Beginn der Blütenbildung findet sich SPL9 Boten-RNA (mRNA) hauptsächlich an den Flanken der Sprossspitze, wo neue Blüten entstehen werden, und kürzlich wurden SPL9 wichtige Funktionen in den frühen Stadien der Blütenentwicklung zugeschrieben. Im Gegensatz dazu ist die Blühinduktion in spl15 Mutanten stark verzögert, und SPL15 mRNA wird vor und während der Blühinduktion im Zentrum des Sprossmeristems exprimiert, wo die allerersten Schritte der Blühinduktion stattfinden.

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Hyun et al zeigen, dass SPL15 mRNA nicht ausreichend ist, um die Blütenbildung zu aktivieren, sondern dass zwei weitere Regulationsebenen erforderlich sind. Zum einen wird die Expression des SPL15 Proteins durch den Abbau der SPL15 mRNA mittels einer microRNA (miRNA), miR156, verhindert. Es ist bekannt, dass die Menge dieser miRNA abnimmt, wenn Pflanzen älter werden. Dementsprechend zeigen Hyun et al, dass, trotz des Vorhandenseins von SPL15 mRNA im Sprossmeristem junger Pflanzen, sich das SPL15 Protein nur in alten Pflanzen anreichert, wenn die miR156 Konzentration abnimmt. Somit ist SPL15 ein altersbedingter Regulator bei der Blütenbildung. Die Aktivität des SPL15 Proteins wird zum anderen von einem weiteren altersbedingten Faktor kontrolliert, dem Hormon Gibberellin. Der Spiegel dieses Hormons nimmt mit dem Alter der Pflanze in der Sprossspitze zu und löst bei Interaktion mit seinem Rezeptor den Abbau von DELLA Proteinen aus. Hyun et al. konnten zeigen, dass DELLAs mit SPL15 an Promotoren von Genen interagieren und somit SPL15 an der Transkriptionsaktivierung seiner Zielgene hindern. Bei Anwesenheit von Gibberellin hingegen werden DELLA Proteine abgebaut, so dass SPL15 seine Zielgene aktivieren kann. Hyun et al. beschreiben zwei Zielgene von SPL15, FRUITFULL und miR172b, die beide die Blühentwicklung fördern und deren Aktivierung von der Aktivität von SPL15 abhängt, wenn die Pflanzen unter nicht induktiven Kurztagbedingungen kultiviert werden.Diese Veröffentlichung beschreibt also zwei Regulationsebenen von SPL15, posttranskriptionell durch miR156 und posttranslationell durch die Interaktion mit DELLAs. Dieses Zusammenspiel stellt sicher, dass SPL15 das Blühen erst ermöglicht, wenn Pflanzen ein bestimmtes Alter erreicht haben. Interessanterweise konnten die Autoren auch zeigen, dass dieses System bei Arabidopsis thaliana entscheidend für das Blühen ist, allerdings nur, wenn Pflanzen nicht den Langtagbedingungen des Frühlings ausgesetzt werden. Werden Pflanzen hingegen induzierenden Langtagbedingungen ausgesetzt, wird die Aktivität von SPL15 nicht mehr benötigt und somit von einem anderen Regulationsweg umgangen. Hyun et al. vermuten, dass das Gleichgewicht zwischen diesen beiden Regulationswegen, also der Tageslänge einerseits und der altersbedingt Regulation von SPL15 andererseits, in unterschiedlichen Arten variiert. Zum Beispiel wurde für Arabis alpina, einer mehrjährigen Verwandten von Arabidopsis thaliana, gezeigt, dass diese absolut abhängig vom altersbedingten miR156 Weg ist.

 

Im zweiten Artikel, der in The Plant Journal erscheint, untersuchen Fernández et al. (2016) einen weiteren Aspekt des Blühens, die Robustheit der Reaktion auf Umwelteinflüsse. Viele Pflanzen reagieren auf ein in hohem Maße vorhersagbares Signal, die Tageslänge, damit das Blühen zu einer bestimmten Jahreszeit stattfindet. Das Blühen wird in Abhängigkeit von unterschiedlichen Tageslängen eingeleitet oder unterdrückt und zwar in der Art, dass diese Reaktionen robust gegenüber Schwankungen anderer Umweltparameter sein müssen. Gemeinsam mit den Änderungen der Tageslänge im Laufe eines Jahres gibt es auch Fluktuationen bei anderen Umweltparametern, wie Temperatur und Lichtintensität, welche den Blühzeitpunkt beeinflussen. Also muss die Reaktion auf die Tageslänge robust gegenüber Änderungen bei diesen anderen Parametern sein.

Arabidopsis thaliana blüht normalerweise sehr schnell unter Langtagbedingungen, wie sie typisch für Frühling und Sommer sind, jedoch verzögert sich das Blühen unter Kurztagbedingungen, wie sie im Winter auftreten. Erhöht sich jedoch die Temperatur auf 27°C statt der normalen 12°C - 20 °C, erfolgt die Blühinduktion sogar unter Kurztagbedingungen rasch. Fernández et al. begründen dieses Phänomen damit, dass hohe Temperaturen unter Kurztagbedingungen die Aktivität des photoperiodischen Blühinduktionswegs erhöhen. Bei niedrigen Temperaturen ist dieser Signalweg nur unter Langtagbedingungen aktiv, wird jedoch die Temperatur erhöht, induziert dieser Weg das Blühen unter Kurztagbedingungen. Darüber hinaus ist die Reaktion auf diesen Signalweg in der Sprossspitze erhöht. Fernández et al. beschreiben eine einzigartige Kombination von Mutationen dreier Gene, welche die Reaktion auf hohe Temperaturen aufhebt. Diese Mutationen beeinträchtigen den photoperiodischen Signalweg, der sowohl von den Genen FLOWERING LOCUS T und TWIN SISTER OF FT reguliert wird, als auch von SHORT VEGETATIVE PHASE, einem Inhibitor der Blühinduktion, der in der Sprossspitze das Blühen unterdrückt. Sie schlagen vor, dass der Verlust der Stabilität der Reaktion auf die Tageslänge bei hohen Temperaturen zum einen eine Folge der Aktivierung des photoperiodischen Signalwegs nahe des Schwellenwerts unter Kurztagbedingungen ist und zum anderen der Inaktivierung eines Inhibitors, welcher normalerweise die Antwort auf den photoperiodischen Signalweg in der Sprossspitze hemmt. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich das Blühverhalten von Pflanzen durch den Klimawandel auf unvorhersehbare Weise ändern könnte.

Diese beiden Artikel führen zu einem besseren Verständnis des Zusammenspiels von umweltbedingten und entwicklungsbedingten Signalwegen bei der Kontrolle des Blühens und somit der Fortpflanzung von Pflanzen. Sie bilden außerdem die Grundlage für weitere Untersuchungen zur Veränderung des Gleichgewichts der Aktivität dieser Signalwege bei der Anpassung an unterschiedliche Umgebungen und bei der Diversifizierung von Arten. Nicht zuletzt ist die Landwirtschaft auf effiziente Fortpflanzung und die damit verbundene Samenproduktion unter vielfältigen Umweltbedingungen angewiesen, so dass ein besseres Verständnis des Blühverhaltens zur Erhaltung und Verbesserung des Ertrags erforderlich sein wird.

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